Nach Abschluss der ersten Chemo im Juni 2016 dauerte es eine Weile, bis wir uns zu viert arrangiert hatten. Meine Frau hat sich als Trageberaterin selbständig gemacht, da Sie einen Ausgleich zu den Kindern brauchte und auch mal „unter die Leute“ muss.

Ich bin wieder voll im Arbeitsalltag angekommen. Aber eins habe ich während der ersten Chemo gelernt. Ich ärgere mich nicht mehr so schnell und ich nehme mir mehr Zeit für mich.

 

 

Weil meine Familie meinen 30. Geburtstag vorverlegt hat, bekam ich schon nach Abschluss der Chemo mein Mountainbike das ich mir gewünscht hatte. So begann ich mit dem Biken. Dabei fand ich heraus das mir das sehr gut tut und ich ich sogar noch recht fit bin.

Vor allem genossen wir wieder den Alltag und unser Familienglück. Hätten wir uns später entschieden Kinder zu kriegen, wäre daraus wahrscheinlich nichts geworden, da bei jeder Chemotherapie die Gefahr einer bleibenden Zeugungsunfähigkeit besteht. Unsere Tochter hat sich ja gerade noch vor der ersten Chemo rein geschmuggelt. Die zwei Kids bringen uns immer wieder zum staunen und zum lachen, obwohl es auch mal anstrengend ist.

 

Im Frühling 2017 zügelten wir dann nochmals. Wir fanden eine sehr schöne Wohnung, welche ebenfalls sehr nahe an meinem Arbeitsplatz liegt. Dort haben wir uns dann schnell eingelebt und es gefällt uns sehr gut.

 

In den Sommerferien 2017 stellte ich dann einen leichten Schmerz in der rechten Schulter fest. Es fühlte sich an wie eine Prellung, da aber die Kontrolluntersuchungen immer gut waren, unternahm ich deshalb noch nichts weiter. Auch der Arzt sah zu dem Zeitpunkt noch keinen Zusammenhang zur Krankheit.

 

Die Schmerzen verschlimmerten sich aber im Herbst soweit, das ich den Oberarm kaum mehr anheben konnte.Ich verabredete einen Termin beim Hausarzt, welcher mich dann zur Physiotherapie überwies, weil das Röntgenbild unauffällig war. Die Physio half leider auch nicht weiter, daraufhin schickte mich der Physiotherapeut zum Rheumatologen. Dieser untersuchte mich ebenfalls, konnte aber auch keinen genauen Befund machen, weshalb er ein MRI verordnete.

 

Wenige Tage später also konnte ich zum MRI ins Kantonsspital Uri. Nach dem MRI wurde ich dann sofort weiter ins CT geschickt, was mir schon sehr merkwürdig vorkam.

 

Am Tag darauf klingelte eine mir bekannte Nummer. Mein Onkologe in Altdorf war am Telefon....

 

Das ist der Moment an dem man am liebsten einfach davonlaufen möchte!

 

Das war am 5. Dezember 2017, nur eineinhalb Jahre nach Abschluss der ersten Chemotherapie.

 

Ich war zu dem Zeitpunkt wieder voll im Leben, topfit, unser Familienglück war komplett. Natürlich wussten wir, dass irgendwann vielleicht wieder eine Therapie nötig werden konnte, weil die CLL mit der Chemo nicht komplett geheilt werden kann. Aber nicht schon nach 1 1/2 Jahren!

 

Der Arzt erzählte am Telefon nur kurz, dass an meinem rechten Schulterblatt ein Fleck ist, der da nicht hingehört. Wir konnten dann am nächsten Tag schon vorbeigehen und uns das anschauen, wobei uns der Arzt erklärte, dass man noch nicht sagen kann, um was es sich handelt. Deshalb wurden rasch weitere Untersuchungen angeordnet. Das Tempo in dem das alles geschah, liess mich schon nichts Gutes ahnen.

Wieder einmal mussten wir, mit dem Wissen, dass da was ist, aber wahrscheinlich nichts Gutes, nach Hause fahren und abwarten.

Es wurden dann wieder ein PET/CT, eine Knochenmarksbiopsie und eine Biopsie des Knubbels, der sich in Zwischenzeit an meiner Schulter gebildet hat, durchgeführt.

Das warten auf Klarheit hat unsere ganze Familie in ein Loch gezerrt. Es konnte doch nicht sein, dass die CLL nach so kurzer Zeit wieder so aktiv war? War es überhaupt die selbe Krankheit? Was erwartet uns nächstes Jahr?

Weihnachten versuchten wir so gut wie möglich zu Feiern, aber natürlich lag ein dunkler Schatten über allem.

Am 27. Dezember 2017 war wieder einmal Tag der Wahrheit. Wir hatten den ersehnten Termin beim Arzt in Luzern, welcher uns schon bei der ersten Chemo begleitet hat. Er nimmt sich immer sehr viel Zeit um uns die Sachlage gut zu erklären.

Leider war diese alles andere als positiv, die Ergebnisse der diversen Tests haben ergeben, dass es sich um ein aggressives Lymphom am Schulterblatt handelt. Die PET Bilder sprachen eine Sprache für sich.

Es war ein gelb-orange Leuchtender grosser Fleck sichtbar, der dort nicht sein sollte.

Dieses bildete sich durch eine sogenannte Richter Transformation.Dabei verwandeln sich aus den niedrigmalignen (langsam verlaufenden) CLL Zellen in ein hochmalignes (schnell verlaufendes) Lymphom .

Bei circa 10-15% der CLL Patienten, welche in der Regel sowieso Älter als 60 Jahre sind, entwickelt sich eine solche Transformation. Ich hatte also den Jackpot geknackt... Alles oder nichts.

Uns wurde dann die mögliche Therapie aufgezeigt.

Geplant waren 5-Zyklen Chemotherapie (Schema R-CHOP), welche stärker sein wird als die Erste und auch mit Haarausfall verbunden sein wird. Anschliessend gegebenenfalls eine Bestrahlung des Lymphoms und wenn das alles gut läuft würde bei mir dann eine Blutstammzellentransplantation (SZT) durchgeführt. Wir wurden nochmals darauf hingewiesen, dass bei diesen Therapien die hohe Wahrscheinlichkeit einer bleibenden Zeugungsunfähig besteht. Wie schon vor der ersten Chemo haben wir uns dagegen entschieden, Spermien einzufrieren. Wir sind überglücklich über die zwei tollen Kinder die uns geschenkt wurden. Es musste wohl so sein, dass der ältere vor der Erstdiagnose und die Tochter noch vor der ersten Chemo den Weg zu uns gefunden hatten.Dazu wurden dann auch gleich die Kontaktangaben der Geschwister aufgenommen, um zu prüfen, ob von ihnen jemand als Spender in Frage käme. Eine Abfrage im Weltweiten Register konnte bis zu 3 Monaten dauern. Für Europäer besteht inzwischen aber eine >80% Möglichkeit einen Passenden Spender zu finden. Das ist doch schon was (könnte aber noch besser sein).

Bei dem Gedanken wieder ein halbes Jahr Chemo machen zu müssen und anschliessend noch 6-8 Wochen nach Basel für einen recht gefährlichen Eingriff, dessen Ausgang keiner kennt, brach ich in Tränen aus.

 

Es dauerte eine Weile bis wir den ersten Schock verdaut hatten aber lange hatten wir nicht Zeit, denn man wollte schon anfangs Januar mit der Therapie beginnen. Also benachrichtige meinen Arbeitgeber, der schon über die laufenden Untersuchungen informiert war, dass ich schon wieder ausfallen werde und diesmal wahrscheinlich ein Jahr oder länger. Ich habe das Riesenglück, dass mein Arbeitgeber voll hinter mir steht und ich mir somit nicht noch Sorgen machen muss über meinen Job. Selbst wenn meine Schulter nicht mehr ganz werden würde oder ich durch die SZT nicht mehr in der Werkstatt arbeiten könnte, stehen mir hier die Türen offen. Hierfür bin ich sehr Dankbar.

 

 

Über einen Bekannten bekam ich die Telefonnummer einer Therapeutin die sich psychologisch um Krebspatienten kümmert. Ich habe sofort einen Termin bekommen und konnte all meine Sorgen und Ängste abladen um somit meine Frau nicht noch mehr belasten zu müssen. Sie begleitete mich dann während der ganzen Therapiezeit. Es gibt noch Engel auf der Erde.