09 Spitalbericht 3 02.-08.05.2018
Sonntag, 6. Mai 2018
Nun Sitze ich hier auf dem Spitalbett und habe Tränen in den Augen. Ich stecke schon seit Mittwoch in diesem Isolationszimmer fest und vermisse meine Familie.
Doch wie kam es dazu?
Ich hatte am Freitag zuvor ein PET/CT zur Kontrolle ob das Lymphom auf die Therapie anspricht.
Am Montag bei der Kontrolle in Altdorf wurden dann die Bilder angeschaut.
Im Bericht dazu stand, dass das Lymphom anspricht. Soweit sogut, weiter stand aber folgender Satz darin "Neuer Herd im Lappen links". Auf den Bildern war dann ein dunkler Fleck in der linken Lunge sichtbar. Ich bin innerlich zuerst aus allen Wolken gefallen!
Der Arzt nahm dann auch sogleich Rücksprache mit Luzern, von wo aus mein Fall auch koordiniert wird. Man erklärte mir dann, dass man anhand der Bilder nicht sagen kann, um was es sich handelt. Es könne eine Infektion, ein Pilz oder im schlimmsten Fall ein neues Lymphom sein.
"Ein neues Lymphom!!! Shit" denke ich mir. Und auch der Arzt wirkt nicht gerade beruhigend. Zum ganzen kam noch hinzu, dass ich anscheind das Varizella Virus habe (die Spitzenblatern). Anscheinend habe ich mich bei unserem Sohn angesteckt. Zum Glück ist bei mir der Minimalverauf eingetroffen. Ich habe nur ein paar unscheinbare Hautveränderungen und spürte selbst nichts davon. Allerdings muss ich beim betreten eines Spitals eine Maske tragen.
Ich wurde mit diesen Informationen nach Hause geschickt.
Dort erklärte ich meiner Frau die ungewisse Situation und brach sogleich in Tränen aus.
Nach den Mittag hatte meine Frau dann noch eine Beratung Zuhause. Ich ging mit den Kindern auf den Spielplatz. Sie sind so grossartig!
Dort erhielt ich dann einen Anruf von meinem Arzt in Luzern. Er erklärte mir die Situation und sagte mir, dass man mit der Chemo erst weitermachen kann, wenn man weiss was auf der Lunge ist. Falls es ein neues Lymphom wäre, müsste man alles wieder überdenken.
Auf meine Frage ob dann noch Wege zur Behandlung verfügbar sein, antwortete er:" ja, es gibt noch Medikamente, welche man in experimentieller Weise auch dazu einsetzen kann". Meine gedanken dazu muss ich an dieser Stelle wohl nicht weiter erläutern.
Die Situation war sehr eigenartig, ich war auf dem Spielplatz, umgeben von Kindern und glücklichen Eltern und der Arzt spricht von experimentellen Methoden um mich zu heilen.
Zum Glück bin ich mich schon an schlechte Nachrichten gewohnt und zudem halten mich die Kids auf trab.
Er erklärte mir das weitere Vorgehen. Ich muss für mehrere Tage ins LUKS wo dann versucht wird eine Probe des Materials auf der Lunge zu kriegen. Entweder über die Luftröhre oder Operativ.
Der Spitaleintritt ist am Mittwoch Vormittag.
Ich ging dann noch mit den Kindern einkaufen und berichtete meiner Frau dann die Neuigkeiten.
Am Abend rief ich meine Schwester an, um ihr die schlechten Nachrichten zu berichten und mit ihr darüber zu reden. Ich brauchte das in dem Moment einfach.
Am Dienstag genoss ich den Vormittag mit den Kindern, während meine Frau arbeitete. Am Nachmittag ging ich noch ins Geschäft, da ich noch einige Sachen an den Diagnosetestern zu tun hatte. Es war nicht dringend, aber es gab mir die nötige Ablenkung.
Am Mittwoch dann fuhr mich mein Onkel dann wieder nach Luzern,wo ich wieder auf Station 12 West einquartiert wurde. Allerdings diesmal in einem Isolationszimmer. Da das Varizella Virus sehr ansteckend ist, und ich somit eine Gefahr für die anderen Patienten darstellte.
Somit kriegte ich auch gleich einen kleinen Vorgeschmack auf den Aufenthalt in Basel für die Transplantation. Beim Eingang zum Zimmer gibt es eine Art Schleuse. Dort liegen Schutzmasken und auch Schutzkleidung bereit. Alle die nicht immun gegen das Virus sind, müssen Masken tragen.
Es wurden mir Feuchttücher für die Toilette gegeben und auch eine Nivea Hautlotion um die Haut zu schützen. Damit soll verhindert werden, dass über die Haut Viren und Bakterien eintreten.
Zähne putzen darf ich nur noch mit Mineralwasser und mit einer extraweichen Zahnbürste.
Das alles war für mich im Moment zwar noch nicht so wichtig, gehört aber zu den Standartmassnahmen im Isolationszimmer. Es gibt mir aber schon einen Ausblick auf die Situation in Basel.
Nach dem Bezug des Zimmers in Luzern, erfolgten die Standartmassnahmen. Eintrittcheck, Blutentnahme...
Leider wusste noch niemand, was weiter mit mir passiert.
Erst am späten Nachmittag kam dann der Arzt (leider nicht der Arzt welcher mein Fall unter sich hat).
Er erklärte mir, dass ein Zugang über die Luftröhre nicht möglich sei, da die Lage des Herds dazu unpassend ist.
Auch eine operative Entnahme kam nicht mehr in Frage, da mein Immunsystem für die anschließende Wundheilung zu schwach wäre.
Man versuche über eine CT gesteuerte Punktion an eine Probe zu kommen.
Dazu soll morgen am Vormittag ein Kontroll- CT gemacht werden zur Abklärung.
Für das CT musste ich nüchtern antreten. Das heisst, kein Frühstück ausser meinen Medikamenten und einem Schluck Wasser dazu.
Das CT verlief dann gut und man teilte mir dann mit, dass der Eingriff möglich sei, jedoch leider erst morgen. Schade, noch ein Tag länger im Spital und ein Tag länger ohne Bescheid. Das positive ist aber, dass die Raumforderung (Medizinerdeutsch für unbekannter Fleck) kleiner geworden ist. Falls es was bösartiges wäre, sollte dass doch eher grösser werden, oder?
Das zweite positive, ich bekam Mittagessen!(das Essen hier ist wirklich gut, danke an die Küche vom LUKS).
Ich berichte die Neuigkeiten gleich per Skype nach Hause. Schön, meine Frau und die Kids zu sehen. Übrigens hat die kleine noch Geburtstag heute. Schon der dritte Geburtstag unserer kleinen Familie, an dem ich im Spital bin.
Am Freitag hiess es dann wieder, nüchtern bleiben. Dann kam der Anästhesist der Radiologie vorbei um mich über den bevorstehenden Eingriff aufzuklären.
Ich versuche das hier für alle verständlich wiederzugeben.
Es wird versucht, mit einer Nadel unter örtlicher Betäubung, vorbei an Rippen und Blutgefäßen, eine Probe det Raumforderung zu nehmen. Damit der Arzt genau weiss, wo sich die Nadel befindet, wird der Eingriff im CT (Computertomografie) durchgeführt.
Als grösstes Risiko hierbei sei ein sogenannter Pneumotorax. Dass heisst, dass Luft zwischen Lunge und Brustkorb eindringt und den somit dort herrschenden Unterdruck aufhebt. Die folge davon ist, dass die Lunge kollabiert, da sie von dem Unterdruck gehalten wird. In diesem Fall würde mittels einem Schlauch die Luft abgesaugt, womit sich das Problem fast immer beheben lässt.
Auf die Frage, was passiert, wenn das 'fast immer" nicht eintrifft, verzichtete ich bewusst, wir haben ja eh keine andere Wahl an eine Probe zu kommen.
Das Risiko für einen Pneumotorax läge im zweistelligen Prozentbereich.
Heisst für mich zwischen 10 - 99%. Danke für die Info!!
Das zweite Risiko sei die Verletzung eines Blutgefässes, was eine Blutungen zur Folge hätte, welche im schlimmsten Fall in einer Operation behoben werden müsste.
Zugeben es wird mir ein bisschen unwohl beim Gedanken an den Eingriff.
Dieser wird dann glücklicherweise noch vor dem Mittag durchgeführt. Ich werde mit dem Bett in die Radiologie verschoben, wo mich der Arzt begrüsst. Er wirkt sehr kompetent und routiniert, obwohl er noch recht jung scheint.
Mein erster Eindruck des Arztes hat mich zum Glück nicht getäuscht. Alles verlief recht schnell und auch fast schmerzfrei für mich. Nach einer guten halben Stunde war alles vorbei und ich wurde aufs Zimmer gebracht. Allerdings musste ich auf der linken Seite liegen bleiben bis zur Nachkontolle um 16:00 und essen durfte ich erst um 17:00 wieder etwas. Wird demnach nichts mit Schnitzel und Country Cuts, welche auf dem Speiseplan standen.
Ich orderte aber gleich eine doppelte Portion vom Abendessen. Es verlief weiter alles komplikationsfrei und das Nachkontroll CT war auch in Ordnung. Es wurde mir auch schon mitgeteilt, dass man schon sagen könne, dass es sich um kein Lymphom handle und dass mit der Therapie vielleicht schon am Wochenende weitergemacht werden kann, sofern keine weiteren Komplikationen auftreten.
Puuh, immerhin das. Aber das wird der längste Spitalaufenthalt bisher.
Ich teile die guten Neuigkeiten gleich meiner Frau mit. Sie kommt heute noch vorbei, trotzdem möchte ich Sie jetzt schon informieren. Zudem sind meine Schwester und meine Mutter bei uns und schauen dann zu den Kids. Die sind auch froh wenn sie Bescheid wissen.
Am Abend kommt dann noch meine Frau vorbei und bringt Nervennahrung mit.
Es ist einfach schön sie bei mir zu haben. Sie ist so unglaublich stark.
Am Samstag konnte dann wirklich mit der Therapie gestartet werden. Es wird das Rituximab (Antikörper) angeschlossen und ich erhalte die Medikamente gegen die Nebenwirkungen, welche sehr schnell müde machen.
Am Abend ruft noch meine Frau an. Für Skype bleibt leider keine Zeit. Ist manchmal ein bisschen hektisch als als vorübergehend alleinerziehende Mutter. Aber sie meistert diese Herausforderung immer besser.
Heute am Sonntag wird die eigentliche Chemo angeschlossen. Dabei habe ich ein mulmiges gespaltenes Gefühl. Einerseits, da die Nebenwirkungen nicht so toll sind, andererseits soll der Sch...dem Lymphom aber auch mächtig Feuer machen.
Beim durchschauen des Fotos auf dem Handy werde ich von meinen Gefühlen übermannt und ich beginne diese Zeilen zu schreiben, womit wir wieder beim Anfang dieses Textes sind.
Nach dem Mittag kommen noch eine Kollegin von meiner Frau mit ihrem Freund zu Besuch. Wir haben leider nicht mehr soviel Kontakt mit Ihnen, daher ist es noch schöner, dass Sie sich Zeit nehmen, um mich zu Besuchen. Es wird ein sehr kurzweiliger Nachmittag. Ich bin wirklich froh, haben wir ein so tolles Umfeld das uns stützt.
Nach dem Abendessen ruft meine Frau noch via Skype an. Schön meine Familie zu sehen. Sie hatten noch Besuch vom Gotti meiner Tochter. Und ich kann wieder einmal nicht dabei sein. Aber wenigstens haben die Kids so Ablenkung und Action.
Und dann Schreibe ich noch weiter an diesem Text, ohne zu Wissen, was damit passieren soll. Soll ich ihn meinen engsten Bekannten zum teilhaben geben, einen Facebook Account erstellen und ihn so Teilen oder sogar ein kleines Buch schreiben?
Keine Ahnung was daraus wird.
Die weitere Therapie verläuft gut und ich könnte dann auch entlassen werden. Allerdings schienen die Ärzte ein wenig planlos in meinem Fall, da mir keiner Auskunft geben konnte wie es nun genau weitergehen soll. Denn planmässig war das jetzt der letzte Zyklus.
Gehts schon bald nach Basel? Wird noch bestrahlt? Kommt eine Transplanatation überhaupt in Frage?
Darüber konnte uns zu diesem Zeitpunkt niemand Auskunft geben und wir hingen wieder mal in den Seilen.